Fachbeiträge

Ist ein Schnellzementestrich „QUASI AUTOMATISCH“ nach den Zeitangaben der Materialhersteller belegreif?

Sachverhalt
In einem zweigeschossigen Neubau (Objektbereich) in Süddeutschland wurde aufgrund der damaligen dringenden terminlichen Situation anstelle eines herkömmlichen Zementestrichs ein Schnellzementestrich des Herstellers XY eingebaut.

Nach dem Einbau war es jedoch aufgrund baustellenspezifischer Sachverhalte nicht möglich, entsprechend dem Merkblatt der Materiallieferantin den elastischen Bodenbelag sofort zu verlegen/zu kleben.
Für Schnellzementestriche richtigerweise wurde dieser dann frühzeitig mit einer PVC-Folie vollflächig und sorgfältig abgedeckt.

Ca. 3 Wochen nach dem Einbau des Schnellzementestrichs wollte dann der Bodenleger mit der Verlegung des elastischen Bodenbelages beginnen.
Da die Räumlichkeiten ungünstige klimatische Bedingungen aufgewiesen haben sollen, wurden Bedenken durch diesen an die Bauleitung angemeldet und hiernach die Räume über die jeweiligen Heizkörper im Gebäude beheizt.

Weitergehend soll der Bodenleger bei der Durchführung einer Feuchtigkeits- 
prüfung, also CM-Messung, einen Feuchtigkeitsgehalt von 1.2 CM-% ermittelt haben.
Da hiermit - nach dem Beheizen der Räume und dem zuvor genannten Feuchtigkeitsgehalt des Schnellzementestrichs - dieser für den Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten belegreif vorlag, wurde die Zementestrichoberfläche mittels „Reinigungsschliff“ angeschliffen, abgesaugt, grundiert und gespachtelt.

Ca. 3-4 Tage nach Spachtelung der Schnellzement-Estrichoberfläche zeigten sich in der Spachtelmasse in erheblichem Umfang Risse.
Weitere Feuchtigkeitsmessungen sowohl des Bodenlegers als auch der Herstellerin für den Schnellzementestrich ergaben nunmehr Feuchtigkeitsgehalte des Schnellzementestrichs zwischen 2,5 und 2,8 CM-%.

Feststellungen anlässlich des Gutachtertermins
Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins waren in den relevanten und hauptschadensursächlichen zwei Räumen deutliche, gravierende Risse, die teilweise als regelrecht rasterförmig zu bezeichnen waren und Rissbreiten bis 0,85 mm aufwiesen, in der Spachtelmassenebene feststellbar.
Bezogen auf eine Grundrissfläche von ca. 200 m² lagen ca. 100 lfd. m Risse vor.

Unter Würdigung der Angaben der anwesenden Parteienvertreter war bereits aufgrund der Geradlinigkeit und regelrechten Rasterförmigkeit der Risse nachvollziehbar, dass die Risse in der Spachtelmasse deckungsgleich, überwiegend oberhalb von Schein- bzw. Arbeitsfugen in dem Schnellzementestrich vorlagen.

Unter Verwendung einer Richtlatte war jeweils feststellbar, dass die Spachtelmassenebene/ der Schnellzementestrich zu den Rissen hin gratartig erhöht, also aufgewölbt vorlag.
Im weiteren lag im Bereich der aufgehenden Wände der ehemals vorhandene Fugenspalt zwischen der Oberfläche des Schnellzementestrichs und der Unterkante der vor die Wände vorgesetzter Holzspanplattenkonstruktion nicht mehr vor.

Die Überprüfung der Schnellzementestrichkonstruktion ergab, wie vermutet, dass sich deckungsgleich die Risse im Schnellzementestrichim Bereich der Scheinfugenfortsetzten (diese waren mit einem nicht näher bezeichneten Reaktionsharzmaterial ehemals geschlossen worden) und bis zur Unterseite des Schnellzementestrichs durchgehend vorlagen.
Weitergehend waren mehrfach durch Mörtelstege der Spachtelmasse geschlossene Randfugen (infolge des Abschneidens des Randdämmstreifens bis Oberkante Schnellzementestrich) zu konstatieren.

Mehrere orientierende Feuchtigkeitsmessungen ergaben jeweils tendenziell, dass der Feuchtigkeitsgehalt des Schnellzementestrichs von der oberen zur unteren Seite hin deutlich zunahm.

Repräsentativ über die Grundrissfläche von ca. 200 m² verteilt wurden im Bereich von 4 Prüfstellen Materialproben sowohl aus der unteren als auch oberen Schnellzementestrichzone und im Bereich von 5 weiteren Prüfstellen - zusätzlich aus der Dämmschicht bzw. der Oberfläche der Rohbetondecke entnommen.

Laborprüfungen
An den Schnellestrichproben wurden in Anlehnung an die DIN 52 183 bzw. DIN 272 und DIN 1048 im Wärmeschrank eine gravimetrische Feuchtigkeitsbestimmung (Darr-Methode) durchgeführt.
Während das Schnellestrichmaterial bei einer Temperatur von max. 42° C getrocknet wurde, wurden sowohl das Dämmschichtmaterial als auch die Materialproben aus der oberen Rohbetondecke bei einer Temperatur von 105° C bis zur Massenkonstanz getrocknet.

Grundsätzlich bzw. prinzipiell war hierbei feststellbar:

1. Während der Schnellzementestrich in der oberen Zone teilweise einen belegereifen Feuchtigkeitsgehalt aufwies, jedoch auch teilweise deutlich erhöht, war demgegenüber in der unteren Zone jeweils ein deutliches/extrem überhöhtes Feuchtigkeitspotential festzustellen.

Im Vergleich des Feuchtigkeitsgehaltes in Gew.-% zwischen der oberen und
unteren Zone des Schnellzementestrichs ergaben sich Differenzen von minimal
1.2 Gew.-% bis maximal sage und schreibe 5.4 Gew.-%.

Nochmals zur Verdeutlichung: Dieser zuvor genannte max. Wert von 5,4 Gew.-% stellt nicht die absolute, bei 42° C gemessene Feuchtigkeit des Schnellzementestrichs in der unteren Zone, sondern die Feuchtigkeitsdifferenz zwischen unterer und oberer Zone dar.

2. Die Dämmschichtmaterialien wurden differierend zwischen den verschiedenen Prüfstellen mit Feuchtigkeitsgehalten von 0,7 Gew.-% bis 1,3 Gew.-% ermittelt, die, bezogen auf diese speziellen Baustoffe, als materialüblich und keinesfalls als überhöht anzusehen waren.

3. Die Materialproben der oberen Zone der Betonrohdecke ergaben Feuchtigkeitsgehalte von 4.1 bis
4,4 Gew.-% was unter Beachtung des Sachverhaltes, dass es sich hierbei um einen Neubau handelt, als materialüblich und ebenfalls nicht überhöht anzusehen war.

Somit war sowohl bezogen auf die Dämmschicht als auch die obere Zone der Rohbetondecke ein relativ gleichmäßiger Feuchtigkeitsgehalt über die Gesamtgrundrissfläche zu konstatieren, was ausschließen lässt, dass in dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben ein Wasserschadensereignis stattgefunden hat.

Zusammenfassende Beurteilung
Bereits die Schadensbilder in Form dieser regelrecht rasterartigen, geradlinig verlaufenden Risse einhergehend mit Aufwölbungen der jeweiligen Estrichrandzonen sowohl wandangrenzend als auch im Bereich der Risse wiesen eindeutig darauf hin, dass es zum Zeitpunkt der Spachtelarbeiten bzw. kurzfristig danach zu einer gravierenden Feuchtigkeitsdifferenz im Schnellzementestrich zwischen der unteren und oberen Estrichzone kam.

Dieser Feuchtigkeitsgradient im Schnellzementestrich begann sich mit dem Entfernen der Kunststofffolie und dem Aufheizen der Räume einzustellen, da ab diesem Zeitpunkt der Schnellzementestrich an der Oberfläche Feuchtigkeit an die Raumluft abgeben konnte.

Mit der Feuchtigkeitsabgabe des Schnellzementestrichs in der oberen Zone setzte ein Schwinden zunächst in der oberen Estrichzone ein, so dass es (in Verbindung mit dem teilweisen Schließen der Randfugen durch Spachtelmasse) bei dem Schwinden zu Spannungen im Estrich kam, die sich in Rissen entluden.

Weitergehend kam es durch die einseitige Austrocknung des Schnellzemen-testrichs zu konkaven Verformungen d. h. Aufwölbungen des Schnellzementestrichs jeweils an den freien Estrichrändern (sowohl vor den aufgehenden Wänden als auch im Bereich der Risse bzw. Scheinfugen).

Angabegemäß wurde der Schnellzementestrich kurzzeitig nach dessen Verlegung mit einer schwarzen PVC-Folie vollflächig abgedeckt.
Dieses Abdecken des Schnellzementestrichs, falls dieser nicht kurzfristig mit dem vorgesehenen Bodenbelag belegt wird, ist grundsätzlich fachtechnisch richtig, wie dies auch aus den einschlägigen technischen Merkblättern der jeweiligen Schnellzementestrich-Hersteller hervorgeht.

In diesem Bauvorhaben hat sich jedoch das Abdecken des Schnellzementestrichs als Nachteil erwiesen!

Nun wird der aufmerksame Leser feststellen, dass sich die zwei vorherigen Sätze widersprechen.
Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen?

Hierzu ein kurzer Ausflug in die besondere Materialspezifik des Schnellzementestrichs.
Ohne auf die verschiedenen Schnellzementestriche der unterschiedlichen Hersteller einzugehen, kann allgemein zunächst einmal ausgesagt werden, dass in der Regel Schnellzementestriche unter Einsatz eines speziellen Bindemittels (aluminatreiche Zemente) sowie Zusatzstoffe (z. B. Gips zur Reaktionsbeschleunigung) hergestellt werden.
Das Bindemittel des Schnellzementestrichs ist in der Lage, das zugegebene, vom Hersteller hinsichtlich der Menge genau definierte Anmachwasser vollständig chemisch bzw. physikalisch zu binden.

Aus diesem Grund werden durch die jeweiligen Materialhersteller in ihren Produktinformationen u Datenblättern auch genaue Vorgaben bezüglich der Wassermenge, bezogen auf ein Bindemittel-Gebinde, also massen- oder volumenbezogen, angegeben.
Genauso deutlich wird durch die Bindemittelhersteller darauf hingewiesen, dass bei dieser Wassermenge auch die Eigenfeuchtigkeit des Zuschlagmaterials zu berücksichtigen ist.
Nur das konkrete Einhalten des vom Hersteller vorgegebenen Wasser-Bindemittel-Faktors ermöglicht die vollständige chemische und physikalische Bindung des Wassers im Schnellzementestrich.
Das heißt, es entsteht kein nennenswertes Überschusswasser, so dass Schnellzementestriche (je nach Hersteller) innerhalb von 24 bis 72 Stunden als belegreif gelten.
Da der Schnellzementestrich nach diesen 24 bis 72 Stunden seine Belegreife - ohne Überschusswasser - erreicht hat, ist dieser, falls die Bodenbeläge nicht kurzfristig verlegt werden können, mit einer Folie abzudecken, damit dieser über ungünstige baustellenklimatische Bedingungen keine Feuchtigkeit - Überschusswasser !! - aufnehmen kann.

Die Prüfungen im Bauvorhaben haben ergeben, dass die obere Zone der Betondecke und auch die Dämmschicht einen üblichen Feuchtigkeitsgehalt aufwiesen und somit ein Wasserschadensereignis während bzw. nach der Herstellung des Zementestrichs sicher auszuschließen war.

Weitergehend wies der Schnellzementestrich in der unteren Zone teilweise einen extremen Feuchtigkeitsgehalt auf, der also auch nicht über die Raumluft aufgenommen worden sein konnte.

Auch war der Schnellzementestrich bis kurz vor Applizierung der Bodenbelag-Verlegewerkstoffe mit Folie abgedeckt.

Hieraus lässt sich mit hoher Sicherheit schlussfolgern, dass der Schnellzementestrich bei dem Anmischen mit einem zu hohen Wasser-Bindemittelfaktor, d. h. mit Überschusswasser, welches durch das Bindemittel nicht physikalisch und chemisch gebunden werden kann, hergestellt wurde.

Anmerkung:
In der Praxis ist bekannt, dass bestimmte Schnellzementestriche in Verbindung mit ungünstigen klimatischen Bedingungen schwer zu verarbeiten sind.

Wie kann man sich die Arbeit erleichtern? 

Einfach indem man dem Schnellzementestrich mehr Anmachwasser zugibt.

Dies hat jedoch zur Folge, dass dieses Mehr an Wasser jedoch nicht chemisch und physikalisch von dem Bindemittel des Schnellzementestrichs gebunden werden kann.
Dieses Mehr an Anmachwasser stellt für den Schnellzementestrich ein Überschusswasser-Potential dar, wie dieses bei konventionellen Estrichen (und daher auch die erforderlichen Austrocknungszeiten) immer vorliegt.

In Beantwortung der Fragestellung bzw. der Überschrift dieses Fachartikels ist somit auszusagen, dass der hier in Rede stehende Zementestrich zwar mit einem Schnellestrichzement hergestellt wurde, jedoch unter Beachtung der zu hohen Wasserzugabe nicht als Schnellzementestrich zu bezeichnen war.

Durch diesen zu hohen Wasser-Bindemittelfaktor in Verbindung mit dem Mischungsverhältnis des Zuschlagmaterials bei der Herstellung der Estrichmischung verlor der Schnellzementestrich seine Eigenschaft bezüglich der schnellen Belegreife.

Das Überschusswassers muss - analog zu einem konventionellen Zementestrich - über die Raumluft abdunsten/entweichen.